Freitag, 10. Mai 2013

Uhrwerk mit Wiener Schlag mag nicht

Ich habe ja vor einiger Zeit ein Uhrwerk mit Wiener Schlag kurz vorgestellt. Nun bin ich zu diesem Uhrwerk gerufen worden, weil das Schlagwerk sich irgendwie verklemmt hat und dadurch das Gehwerk so behindert hat, dass die Uhr um einige Stunden pro Tag nachging. Ich erzähle hier, weil ich's interessant finde, einige Details zum Schlagwerk, die (vielleicht und hoffentlich) mit dem Fehler zusammenhängen – und hoffe, dass ich den Fehler auf eine etwas unorthodoxe Art korrigiert habe.

Das zentrale Element, um das es geht, ist der Windfang des Viertelstunden-Schlagwerks. Bevor ich mich damit beschäftige, zeige ich zuerst den Windfang des Stundenschlagwerks. Man sieht am folgenden Bild rechts das große Zwischenrad, das über ein kleines 6-zähniges "Trieb" (so heißen Ritzel in Uhrwerken) die Windfangwelle antreibt. Der Windfang selbst ist nicht direkt mit der Welle verbunden, sondern sitzt drehbar auf ihr; die Verbindung erfolgt über eine Rutschkupplung, die von der links sichtbaren schwarzen Feder gebildet wird: Wenn das Schlagwerk abrupt seine Bewegung beendet, sobald es auf den Anschlag am Rechen aufläuft, kann sich der Windfang noch ein wenig weiterdrehen (ein analoges Patent mit Hilfe eines Freilaufs mit Ratsche kann man in diesem Posting über Turmuhren sehen; der Windfang dort ist "nur" etwa dreißigmal größer als dieser hier):


Hier ist im Vergleich dazu der Windfang des Viertelstundenschlagwerks:


Man sieht, dass hier statt eines Zahnradtriebs ein "Laterndl-Trieb" verwendet wird, und dass dieses mit dem Windfang fest verlötet ist. Trotzdem hat der Windfang rechts einen Schlitz für die Feder einer Rutschkupplung – komisch: Wieso diese Unterschiede zum Stundenschlagwerk? Ich denke, dass irgendwann in den langen Jahrzehnten, die diese Uhr schon existiert, das Trieb des Windfanges so eingelaufen war, dass es ausgetauscht werden musste. Und der Einfachheit halber hat der Reparateur einen Laterndl-Trieb eingebaut, der auch bis vor ein paar Tagen anstandslos seine Arbeit getan hat:


Allerdings habe ich nun folgendes festgestellt: In "Vorwärtsrichtung" läuft das Getriebe ohne irgendein Geruckel. Wenn man allerdings den Windfang oder das Antriebsrad rückwärts bewegt, dann verklemmen sich die beiden häufig nach einigen Zähnen. In dieser Richtung sind die Zähne also nicht aufeinander eingeschliffen. Warum ist das interessant? Wenn man dem Schlagwerk zuschaut, merkt man, dass es am Ende des Laufs kurz rückwärts läuft – nämlich dann, wenn es am Rechenanschlag "andonnert" und dadurch zurückgeworfen wird. Wenn es sich nun bei diesem Rücklauf verklemmt, dann "war's das".

Meine Idee war, diesen Rücklauf verklemmungsfrei zu ermöglichen. Eine Möglichkeit wäre nun gewesen, alle Zähne des größeren Rades an ihrer Rückseite minimal abzuschleifen. Das hätte allerdings ein Zerlegen des Werks erfordert, und das ist nicht wenig Arbeit. Also habe ich eine "Abkürzung" versucht: Mit einem Schraubenzieher habe ich die Stifte des Laterndltriebs minimal nach außen gebogen:


Das Zurückdrehen hat nun bei keinem Zahn mehr zum Verklemmen geführt (bei einigen ist es noch immer ein wenig schwergängig – aber man soll bei solchen "Korrekturbiegereien" lieber zu wenig als zu viel eingreifen). Schau'n wir einmal, ob es reicht, also ob das Uhrwerk mit Schlagwerk nun wieder Wochen und Monate ohne Probleme durchläuft ...

Weil ich grad dabei war, habe ich noch ein paar Bilder der zwei Rechen samt ihren Schöpfern aufgenommen. Zuerst sieht man die zwei Rechen in ihrer jeweiligen Ruhestellung – Viertelstundenwerk (wobei dieser Messingflügel mit einem Drahtstift als Schöpfer und einer Verlötung auch wie ein späterer Einbau aussieht) ...


... und Stundenschlagwerk:


Und dann noch Bilder in voller Bewegung:




Hier sieht man zum Schluss das Stundenschlagwerk "im Landeanflug": Gleich wird der linke Flügel des Schöpfers auf dem Anschlag am Rechen aufschlagen und das Stundenschlagwerk zum Stehen bringen. Wie vor dem ersten Bild erklärt, wird sich der Windfang noch kurz weiterbewegen, außerdem federt auch das Stundenschlagwerk etwas zurück und dreht den Windfang noch kurz in die Gegenrichtung – dann steht alles (außer dem Gehwerk) für eine Viertelstunde still: