Donnerstag, 4. Juli 2013

Wels Verschiebebahnhof 1987 – Rollberg: Stellwerk 5 und 4

Dieses Posting meiner Serie über die Bahnhöfe von Wels und Marchtrenk enthält Bilder von den zentralen Anlagen des Welser Verschiebebahnhofs, nämlich dem Ablaufberg und den dazugehörigen Stellwerken.

Am ersten Bild nähere ich mich der Bergseite des Ablaufbergs, an dem damals noch ein hohes elektrisches Abdrücksignal stand. Dahinter ist das Fahrdienstleiterstellwerk 5 zu sehen, in dem im unteren Geschoss der Bergmeister seinen Arbeitsplatz hatte. Die Kreuzungsweichen vor dem Berg stehen hier während einer Abrollpause alle so, dass kein Fahrzeug über den Berg hinunterrollen kann – allerdings wäre das sehr unwahrscheinlich, weil man deutlich die Gegensteigung sieht, die von der Einfahrgruppe zum Rollberg hinaufführt. Mit etwas genauerem Hinschauen sieht man, dass das rechte Berggleis etwas höher liegt als das linke – bis in die vierziger Jahre baute man bei zweigleisigen Ablaufbergen üblicherweise einen höheren "Winterberg" und einen etwas niedrigeren "Sommerberg".
Seit praktisch alle Güterwagen mit Rollenlagern an den Achsen ausgestattet sind, ist das Rollverhalten zwischen Winter und Sommer nicht mehr so unterschiedlich, daher werden moderne zweigleisige Abrollanlagen – wie etwa Wien Kledering – mit zwei gleich hohen Berggleisen versehen.
Weit im Hintergrund ist hier hinter Fahrleitungsmasten schon das Talstellwerk 4 erkennbar:

Bergseite des Ablaufbergs, Wels Vbf, 21.2.1987

Nun gehen wir aber ins Berg- und Befehlsstellwerk 5. Hier sehen wir die elektromechanische E43-Anlage, noch mit Farbscheibenüberwachung:

Stw.5, Wels Vbf, 22.2.1987

Der Gleisplan (ohne Ausleuchtungen) zeigt, dass oberhalb des Rollbergs Schutzsignale zu dessen Deckung aufgestellt waren. Von den Einfahrgleisen 108 bis 126 verjüngt sich hier der Bahnhof bis auf die zwei Gleise, die über den Berg hinunterführen.

Stw.5, Wels Vbf, 22.2.1987

Im linken Teil des Schalterwerks (hier müsste man eigentlich wohl "Hebelwerk" sagen) befanden sich die Weichenschalter:

Stw.5, Wels Vbf, 22.2.1987

Die Mitte des Schalterwerks nahmen die Signalschalter für die Schutzsignale ein. Dann kamen die Befehlsabgabeschalter für das Stellwerk 6, dazwischen mit einem Fahrstraßensignalschalter für zwei Fahrten auf die Schutzsignale Sch126 und Sch184:

Stw.5, Wels Vbf, 22.2.1987

Ganz rechts befanden sich die restlichen Befehlsabgabeschalter für das Stellwerk 6:

Stw.5, Wels Vbf, 22.2.1987

Für einige Weichen, Verschubsignale und die beiden Schutzsignale gab es ein eigenes neues Siemens-Stellpult:

Stw.5, Wels Vbf, 22.2.1987

Hier sieht man das Stellwerksgebäude von außen. Links im oberen Stockwerk befand sich das Stellwerk mit dem Arbeitsplatz des Fahrdienstleiters. Rechts unten war der Arbeitsplatz des Bergmeisters:

Stellwerk 5, Wels Vbf, 22.2.1987

Nun stehen wir kurz vor dem höchsten Punkt des Abrollberges. Rechts ist der etwas höhere Winterberg, links sieht man das tieferliegende Gleis des Sommerbergs:

Ablaufberg und Richtungsgruppe, Wels Vbf, 21.2.1987

Hier sieht man die Lichtschranken, die vor der ersten Verzweigungsweiche zusammen mit Achszählern überprüfen, ob die Weiche frei ist und daher automatisch umlaufen kann. An den beiden Fahrleitungssignalen auf den Weichenkörpern sieht man, dass nur der rechte Teil der Richtungsgruppe elektrifiziert ist:

Technik am Ablaufberg, Wels Vbf, 21.2.1987

Und hier sieht man den Rollberg von unten – links der Winterberg, rechts der Sommerberg. Der Mitarbeiter mit dem orangen Schirm ist hier ziemlich fotogen zum Stellwerk 5 unterwegs:

Winter- und Sommerberg, Wels Vbf, 21.2.1987

Am unteren Ende des Berges befinden sich die Gleisbremsen. Hier sieht man jene für die elektrifizierten Richtungsgleisgruppen 22-36 und 10-20. Links steht das Ablaufstellwerk 4, das wir gleich besuchen werden – hinter den Fenstern sieht man links und rechts die Bedienstände für die Gleisbremsen:

Talbremsen und Stellwerk 4, Wels Vbf, 21.2.1987

Nun sind wir im Stellwerk 4. Hier befindet sich seit 1976 ein automatisches Siemens-Ablaufstellwerk, bei dem die kleinen Felder der deutschen Siemensbauarten verwendet werden. Aus den Fenstern hinter dem Stellpult hat der Bediener einen Blick auf die Gleisbündel der ganzen Richtungsgruppe:

Ablaufstellwerk, Stw.4, Wels Vbf, 23.2.1987

Auf dem Stellpult sieht man auf der linken Seite einen Rollzettel angeklemmt. Ich habe ihn hier einmal aus einem weiteren Bild herauskopiert:

Rollzettel, Stw.4, Wels Vbf, 23.2.1987

Mit etwas Mühe kann man darauf die folgende Einträge entziffern:
Datum23.2.
Zug82367
Aus Gleis112
Anzahl d.WagenGleis
1 V       5246
2 O10
3 V       5246
4  |50
5 O60
6 V10
7 V66
8 OO –960
9 O14
10
...
| (ein Strich) ist dabei ein beladener Wagen, O ein leerer Wagen, V ein "Vorsichtswagen" – laienhaft ausgedrückt: der nicht auf andere Wagen draufkrachen darf, also im Richtungsgleis rechtzeitig mit Hemmschuhen zum Stillstand gebracht werden muss. Unterstrichene Zeichen sind Vierachser, das –9 ist (meines Wissens) eine Gruppe von neun Wagen, und beim ersten und dritten Ablauf wurde das Richtungsgleis mit einem roten Kuli von 46 auf 52 korrigiert.

Hier kommt das Bild des Stellwerkspultes mit dem Rollzettel (und dem roten Kugelschreiber). Auf den Transparenten oberhalb der Nummerntastatur sieht man, dass momentan die Weichen für den ersten Ablauf (01) ins Gleis 52 gestellt sind. Sobald diese Wagen ablaufen, werden automatisch direkt hinter ihnen – durch Achszähler gesichert – die Weichen für den folgenden Ablauf gestellt. Der nächste Ablauf, den man einspeichern könnte, wäre jener mit laufender Nummer 10 – es sind also neun Abläufe im Ablaufspeicher abgelegt, was genau den Angaben auf dem Rollzettel entspricht:

Ablaufstellwerk, Stw.4, Wels Vbf, 23.2.1987

Und hier sieht man die Bedienung der zwei Talbremsen für die Gleisgruppen 38-52 und 54-68: Die Hebel bedienen direkt die Druckwasserventile im Untergeschoss des Stellwerks, die die Gleisbremsen ansteuern. Manometer geben den Druck in der Bremse an – sie sind vor allem wichtig als Rückmeldung an den Bediener: Wenn ein Wagen in die Bremse einläuft, der ein wenig breitere Radreifen hat, wird er die Bremsbacken auseinanderzwängen und dadurch die Bremskraft und auch den Druck erhöhen. Der Bediener sieht das und kann die Bremse etwas zurücknehmen, um die gewünschte Bremswirkung zu erreichen. Umgekehrt kann er bei ohne oder mit geringer Druckerhöhung durchlaufenden Wagen die Bremsbacken etwas zusammenrücken.

Die Bremsbedienung ist übrigens eine ziemlich laute Arbeit, die mit hoher Konzentration verbunden ist: Seiner Durchschrift des Rollzettels entnimmt der Bremser das ungefähre Gewicht des Ablaufs – beladene Wagen müssen ganz anders gebremst werden als leere; er schätzt mit freiem Auge die Einlaufgeschwindigkeit (schwierig bei dichtem Nebel!) und stellt danach die Bremse ein. Einen Moment später donnert die erste Achse in die Bremse und reißt sie ein wenig auseinander. Dieser Druckwasserschlag erzeugt einen ziemlichen Krach und reißt auch am Ventil. Mit einem Seitenblick auf das Manometer reagiert der Bremser darauf, ob die Wagen etwa wie gewünscht langsamer werden; je nachdem drückt er mit Kraft den Bremshebel in eine andere Stellung.

Im Hintergrund dieses Bildes ist draußen auch noch eine der Talbremsen zu sehen:

Bremsenbedienung, Stw.4, Wels Vbf, 23.2.1987

Die folgenden zwei Bilder zeigen die zugehörigen Anlagen im Untergeschoß des Stellwerks. In der Mitte stehen die zwei Druckpumpen, jeweils eine für zwei Bremsen – vorne der Antriebsmotor, hinten über sieben Keilriemen angetrieben die Kolbenpumpe. Unter den Bodenblechen gehen die Druckleitungen zu den Steuerventilen, wo die vom Bedienraum herabkommenden schwarzen Stangen die Bremsen – hier für die Gleisgruppen 38-52 und 54-68 – steuern. Ganz links erkennt man an der Wand noch einen der Windkessel, die die extremsten Wasserschläge abfangen müssen, damit diese die Anlage nicht zerstören können.

Druckwasserpumpen und -steuerung, Stw.4, Wels Vbf, 23.2.1987

Das folgende, leider etwas unscharfe Bild zeigt die Ventile samt den Steuerstangen für die zwei rechten Bremsen, also jene für die Gleisgruppen 10-20 und 22-36. Oben sind die zwei zweiarmigen Hebel erkennbar, deren nicht sichtbare Enden mit den Stangen verbunden sind, die an den Steuerhebeln im Bedienraum angelenkt sind:

Druckwasserpumpen und -steuerung, Stw.4, Wels Vbf, 23.2.1987

In der Zwischenzeit sind die vier ersten Abläufe des Zuges 82367 unterwegs. Hier sieht man sie als Rotausleuchtungen auf dem Stellpult:
  • Ganz oben, etwas links von der Mitte, ist der erste Ablauf ins Gleis 52 unterwegs.
  • Kurz dahinter läuft ihm der dritte Ablauf ins selbe Gleis nach.
  • Rechts außen ist der zweite Ablauf auf dem Weg ins Gleis 10.
  • Und direkt am Sommerberg, d.h. am linken Berggleis, beginnt der vierte Ablauf seine Fahrt ins Gleis 50.
Am unteren Rand ist übrigens neben den Berggleisen jeweils "Sommerberg" und "Winterberg" angeschrieben:

Vier Abläufe sind unterwegs, Stw.4, Wels Vbf, 23.2.1987

Und hier sieht man zum Schluss einen Ablauf aus einer ganzen Reihe Leerwagen über den Berg herunterrollen (das muss wohl der Ablauf Nummer 8 sein). Über dem Stellwerk 5 sieht man das Abdrücksignal in der Stellung "langsam abdrücken". Die am Winterberg sichtbare 2067 rastet sich gerade aus – den Zug, der gerade zerlegt wird, sieht man nicht, weil das Gleis 112 (siehe Rollzettel oben!) von hier aus hinter Lok und Stellwerk versteckt ist. Deutlich ist hier noch einmal die unterschiedliche Höhe von Winterberg und Sommerberg zu erkennen:

Ein Ablauf, Stw.4, Wels Vbf, 23.2.1987

Das war's mit diesem Blick auf ein besonderes Kapitel der Eisenbahnbetriebs- und -sicherungstechnik!

Im nächsten Posting gehen wir dann zum Stellwerk 3, das interessanter ist, als es auf den ersten Blick aussieht.

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